Das Team um WU Assistenzprofessorin Mia Raynard beschäftigt sich in ihrer Studie „Boundary work and transgressive institutional reform: love, hate, and private enterprise in chinese socialism“ mit den Auswirkungen von institutionellem Wandel in China. Zwischen 1978 und 2007 bemühte sich die chinesische Regierung den Privatsektor wiedereinzuführen. Wie kann eine Idee oder Praxis, die einst als falsch oder sogar moralisch verwerflich angesehen wurde und als Widerspruch zum chinesischen Sozialismus galt, von der Bevölkerung akzeptiert werden? Auf der Grundlage einer Längsschnittanalyse politischer, rechtlicher und historischer Dokumente untersuchten Mia Raynards und ihr Team die Bemühungen der chinesischen Regierung, Konflikte zu vermeiden.
Spagat zwischen Sozialismus und Privatsektor
Institutionen müssen sich an Wandel anpassen, um ihre Relevanz und Legitimität zu bewahren. Die Regierungsarbeit die in China geleistet wurde, um institutionellen Wandel zu erreichen, war komplex und herausfordernd, vor allem, weil sie zwei potenziell widersprüchliche Ziele beinhaltete. Einerseits die Einbeziehung einer Praxis, die zuvor definiert hatte, was der chinesische Sozialismus eben nicht war. Andererseits die Aufrechterhaltung des chinesischen Sozialismus als Institution mit den damit verbundenen Eigenschaften des kollektiven Eigentums und der Selbstaufopferung für die Interessen der Gemeinschaft. „Es ist interessant, wie die chinesische Regierung die ideologische Herausforderung der Wiedereinführung des Privatsektors bewältigen konnte, ohne ihre Legitimität und die des chinesischen Sozialismus zu untergraben. Das ist v.a auf die Maßnahmen der chinesischen Regierung und die vielzähligen Unterscheidungen, welche Gruppen sich in welchem Ausmaß im privaten Bereich engagieren dürfen, zurückzuführen“, so WU Forscherin Mia Raynard. Die Legalisierung der gleichgeschlechtlichen Ehe etwa, ist ein Beispiel dafür, wie sich Institutionen an den Wandel angepasst haben und gleichzeitig Konflikte nicht vermeiden konnten, weil das Thema moralisch von Institutionen, wie etwa der Kirche, besetzt worden war und begleitende Maßnahmen, um diesen Wandel zu erklären, ausblieben.