„Die hohen Berge – meine Lehrmeister“
Online-Keynote Gerlinde Kaltenbrunner


(c) Matthias Peschta

 

Gerlinde Kaltenbrunner, Profibergsteigerin aus Passion, hat Ende Jänner eine Online-Keynote für die WU Alumni gehalten. In dem Multivisionsvortrag „Die hohen Berge – meine Lehrmeister“ berichtete sie auf sehr persönliche Weise von ihren Erlebnissen und ihren Erfahrungen als erste Frau, die sämtliche Achttausender ohne Flaschensauerstoff und ohne Hochträgerunterstützung erreicht hat.


Showreel Gerlinde Kaltenbrunner:


Mehr über Gerlinde Kaltenbrunner und ihre atemberaubenden Expeditionen können Sie auf ihrer Website erfahren.


Wir nahmen den Online-Vortrag zum Anlass, mit Gerlinde Kaltenbrunner ein kurzes Gespräch zu aktuellen Themen zu führen.

„Die Antworten liegen so oft im Kleinen“
Interview mit Gerlinde Kaltenbrunner

 

Liebe Frau Kaltenbrunner, von Ihren Erfahrungen in den Bergen erzählen Sie in Ihren Vorträgen. Was waren für Sie die wichtigsten (interkulturellen) Erfahrungen „im Tal“? Gibt es etwas, was Sie auf Ihren Reisen besonders berührt oder beeinflusst hat?
Stark bewegt und beeinflusst hat mich und tut es noch immer, wie unglaublich gastfreundlich und hilfsbereit z.B. die Menschen in Nepal und Pakistan sind. Das Wenige und Einfache teilen sie und schauen, dass es auch Anderen gut geht. Das ist etwas was mich von Beginn an sehr berührt und mein ganzen Leben insgesamt beeinflusst hat. Bescheidener und mit wenig zufrieden zu sein, zu teilen und auf Andere schauen

(Massen-)Mobilität und Klimaschutz stehen derzeit leider in einem ziemlichen Widerspruch zueinander. Können wir die beiden unter einen Hut bringen?
Dass dies im Wiederspruch steht ist richtig. Trotzdem glaube ich – im Sinne internationaler Begegnungen – dass wir nicht ganz auf das Reisen verzichten können. Ich denke, bei den Reisen, die wir unternehmen, ist es sehr wichtig, ganz bewusst zu wählen und auf unnötige Reisen zu verzichten. Damit meine ich nicht nur den Tourismus sondern auch den Geschäftsbereich. Hier kann doch einiges, wie wir nun gelernt haben, über Videokonferenzen besprochen und geklärt werden. Sofern möglich helfen auch Reisen mit dem Zug, auch wenn es manchmal etwas länger dauert. Mit dem weiteren Vorteil, dass uns eine Zugreise eventuell auch innerlich etwas „entschleunigt“.
Mehr Klimaschutz ist jedoch nicht nur durch eine bewusste Mobilität möglich, sondern ganz stark auch durch die Ernährung und Lebensmittel welche wir konsumieren. Es gibt deutliche Unterschiede in der CO2-Bilanz bei Fleischkonsum zu pflanzenbasierter Ernährung.

Kann uns der Lockdown helfen, unsere Achtsamkeit und Gelassenheit weiter zu entwickeln? Geht das auch abseits von extremen Situationen (wie bei Ihren Expeditionen) – also, auch dann wenn unser Bewegungsradius sozusagen auf den Weg von der Küche zum Wohnzimmer beschränkt ist?
Auf jeden Fall. Ganz besonders in solchen Zeiten hat man die Möglichkeit sich in Achtsamkeit und Gelassenheit zu üben. Wir haben Module in der Hand und Zugang zu vielem Wissen. Es wäre sehr empfehlenswert, mit angeleiteten Konzentrations- oder Meditationsübungen zu starten oder auch Qigong oder Yoga zu praktizieren. Dies führt ganz sicher zu mehr Ruhe und Gelassenheit.
Es kann auch jede/r in seinem oder ihrem mentalen Bereich etwas dafür tun. Es kommt immer darauf an, wo ich selbst meine Gedanken hinlenke. Wohin ich meine Aufmerksamkeit lenke, dahin geht auch meine Energie. Wenn ich mir bewusst vornehme, mich in Achtsamkeit und Gelassenheit zu üben und dazu Atemübungen und die Meditation praktiziere, um mich zu zentrieren, ganz egal was im Äußeren passiert, dann sind dies wichtige Schritte, die das Leben unglaublich bereichern.

Wie kommen Sie mit dem Lockdown klar?
Persönlich komme ich mit dem Lockdown gut klar, weil ich genau das oben genannte immer wieder praktiziere. Es gilt, Situationen welche wir nicht ändern können, so anzunehmen wie sie sind und versuchen, das Beste daraus zu machen. Das ist einerseits banal aber andererseits ungemein wichtig – und gerade das Banale wird oftmals übersehen, weil man die Antworten in etwas ganz Großem sucht. Dabei liegen sie so oft im Kleinen.
Auch ist es wichtig, sich selbst den Rahmen nicht noch enger zu stecken. Trotz Lockdown haben wir die Möglichkeit in die Natur raus zu gehen, einzutauchen z.B. in den Wald und damit auch das Immunsystem zu stärken. Auch die Zeit zu nutzen, mehr Achtsamkeit der Ernährung zu widmen und das, was dem Körper erwiesenermaßen nicht gut tut, auch einmal bewusst wegzulassen.

Wenn man sich Ihren Vortrag anhört, spürt man ganz stark Ihre Begeisterung. Und ohne Begeisterung geht gar nichts im Leben weiter, weder am Berg noch im Beruf. Haben Sie einen Tipp für uns, wie man sich diese Begeisterung über längere Zeit bewahren kann?
Allem voran steht die Begeisterung für jedes Ziel. Hinter jedem Ziel liegt ein höheres Anliegen: Was ist mir wirklich wichtig und was möchte ich mit meinem Ziel mit meiner Vision bewirken? Wenn dieses Anliegen definiert ist, kann man es zu Papier bringen, um es sich immer wieder auch anzuschauen und sich danach auszurichten. Dieses Hervorholen und bewusst machen hilft dann auch in schwierigen Situationen, die Motivation und Begeisterung dafür zu spüren.

Herzlichen Dank für Ihren Vortrag und für das Gespräch!